Görzke

Zwischen 1996 und 2001 wurden in Görzke, Kreis Potsdam Mittelmark, Tiefbauarbeiten von Archäo Kontrakt archäologisch begleitet. Einige der dabei dokumentierten Befunde waren nur schlecht mit dem vorherrschenden Bild einer askanischen Stadtgründung in Übereinstimmung zu bringen. Görzke liegt nur etwa 50 km von Magdeburg entfernt. Eine Passsituation ermög-lichte an dieser Stelle eine leichte Überquerung des Fläming. Hier trafen sich außerdem die Heerstraße von Magdeburg nach Berlin und die alte Route zwischen Zerbst und Brandenburg. Die stark befestigte Stadt hatte diese Position zu sichern.

 

Görzke erschien erst 1161 in den Quellen. Der Ort dürfte aber zusammen mit der Landschaft Zauche um 1127/1129 an die Askanier gefallen sein. In der Mitte des 13. Jahrhundert soll bereits die Gewährung des Stadtrechts erfolgt sein. Nur wenig später wurden der Stadt Ein-künfte aus einer hier bestehenden Münze 'zur Besserung und Befestigung' zugesichert, was als Indiz für die Errichtung oder Ausbesserung einer Stadtmauer gedeutet wird. Seit dem 14. Jahrhundert ging Görzkes Bedeutung aufgrund von Auseinandersetzungen mit Magdeburg zurück. Besonders umfassende Verwüstungen und Zerstörung fanden 1387 und 1420 statt.

 

In die erste Siedlungsperiode 1 wurde der slawische Burgwall im Nordwesten des Ortes eingeordnet. Noch im frühen 12. Jahrhundert müsste die frühdeutsche Befestigung der Periode 2 im Burgwall errichtet worden sein. In dem gesondert abgetrennten Bereich dürfte ein askanischer Vogt residiert haben. Vermutlich wurde auch schon eine erste Kirche errichtet.

 

In die Periode 3 kann der heutige Kirchturm eingegliedert werden. Es könnte sich dabei um den Rest einer Turmhügelburg, einer Motte, handeln. Sie würde als stärkere Befestigung in die Zeit der Eroberungszüge in der Mitte des 12. Jahrhunderts passen.

 

Die nächste Siedlungsphase, Periode 4, begann mit der Errichtung einer Siedlung am Knoten-punkt der Straßen. Ihr lassen sich insgesamt sieben Grubenhäuser zuweisen. Die Umfriedung mit einem Graben, s.u., stellt ein Kennzeichen der Siedlungen nach flämischen Recht dar.

 

Die spätromanische Kirche vom Gelände des Oberhofes dürfte ebenfalls in dieser Periode gegründet worden sein. Nördlich der Kirche konnte ein Friedhof nachgewiesen werden. Der freie Platz nördlich davon könnte entsprechend als alter Marktplatz gedeutet werden. Er wurde bisher aber nur am südlichen Rand untersucht und blieb dort, abgesehen von einer vermutlich mittelalterlichen, die Lücke schließenden Bebauung, ohne Befund.

 

Die Siedlung wurde von einem 13 m breiten Graben geschützt. Im Nordwesten schloss er vermutlich an die Außenanlagen der ebenfalls neu errichteten ‘curia’ an. Im Südwesten, im Bereich des späteren Untertores, fanden sich Hinweise auf einen in der Nähe liegenden mittelalterlichen Zugang, der aber nicht absolut datiert werden konnte. Er könnte in diese Periode gehören. Der Bau der ‘curia’, eines befestigten Hofes für den Vogt, entsprang wohl den Bedürfnissen einer wieder mehr agrarischen als militärischen Nutzung. Die Befestigung lag auf einer kleinen Anhöhe am Rande der Niederung und war vermutlich von einer Palisade umgeben.

 

Innerhalb der ‘curia’ konnten einige Scherben slawischer Keramik geborgen werden. Zwei der Scherben zeigen eine Vermischung der deutschen mit der slawischen Keramiktradition. Sie deuten ein Nebeneinander einer slawischen und einer deutschen Siedlung an, das über die deutsche Eroberung hinweg reichte.

 

Vermutlich wurde der Burgwall über den Langen Wall mit der ‘curia’ verbunden. So konnte der Pass gesperrt und der Verkehr gezwungen werden, den Weg durch die Siedlung zu nehmen.

 

Nur wenig später wurde mit der Errichtung der ältesten Befestigung aus Stein begonnen, Periode 5. Mehrere bis 1,2 m starke und bis in 2,6 m Tiefe reichende Mauern am Obertor gehörten vermutlich zu zwei Tortürmen. Das Mauerwerk aus behauenen Feldsteinen ähnelte dem des Burgfrieds der Burg Eisenhardt in Belzig. Die Mauer könnte also aus der Zeit um oder kurz nach 1200 stammen. Ein zugehöriges zweites Tor könnte vielleicht aus der merk-würdig vorkragenden Stellung der beiden Eckhäuser in der Untertorstraße erschlossen werden.

 

In der Kirchstraße wurde im Straßenraum der Eingangsbereich eines Feldsteinkellers freigelegt. Dabei dürfte es sich um eine Konstruktion des 13. Jahrhunderts gehandelt haben, die nach einem Schadenfeuer im 14. Jahrhundert erneuert worden war. Vermutlich stand hier, am Rande des späteren Viehmarktes, das Haus eines Kaufmanns. Die Funde aus dem Kellerbereich lassen den Rückschluss auf ein heizbares Obergeschoss und eine gehobene Lebensführung der Bewohner zu.

Die Kirche im Norden wurde durch die Ausdehnung der Befestigung spätestens in dieser Periode in die Stadt einbezogen. Sie wurde damit zur eigentlichen Stadtkirche.

 

In der Periode 6 wurde, vermutlich bei der Zerstörung der Stadt im Jahre 1387, die Stadtmauer zumindest teilweise abgebrochen und eine Bebauung der Bereiche vor der Mauer zugelassen. In der Burgstraße fanden sich Reste mittelalterlicher Gebäude und mehrere Gruben. Ein Graben im Süden und noch heute stehende Teile einer Mauer des 14. bis 15. Jahrhundert im Norden des Ortes lassen an einen Wiederaufbau und eine Ausweitung der Stadt denken. Das Obertor wurde in dieser Periode zu einem Zangentor umgebaut.


In der Periode 7 wurde der Ort nach mehrfacher Zerstörung wieder aufgebaut. Gebäudereste südlich des heutigen Gutshauses gehörten zu einer älteren Bauphase dieser Anlage. Sie weisen übrigens die gleiche Ausrichtung auf wie einer der beiden Keller des Gutshauses. Er dürfte als Rest der älteren Gebäude bei der Neuanlage im 18. Jahrhundert erhalten geblieben sein.

 

Zusammenfassung

Die Stadt Görzke entsprang zwei Wurzeln. Zum Einen dürfte sich die mehrteilige slawische Siedlung nach der Übernahme durch die Askanier weiter entwickelt haben. Die Vogtei, der Marktplatz, die Kirche und die zugehörigen Befestigungen liegen alle im Bereich des späteren Unterhofes. Zum Anderen entstand wohl noch im 12. Jahrhundert eine weitere Siedlung in der
flämisches Recht gegolten haben dürfte. Eine spätromanische Kirche, ein Marktplatz und die starken Befestigungen im Bereich des Oberhofes deuten auf einen zweiten Siedlungskern.


Beide Siedlungen hatten Kirchen mit Friedhöfen, was auf größere Bevölkerungszahlen schließen ließ. Diesem Gedanken folgend wären um oder kurz nach 1200 beide Ortschaften unter Beibehaltung des slawischen Namens Görzke zu einer Stadt zusammengefasst worden.


Es liegt nahe anzunehmen, dass die slawische Siedlung am Burgwall von den Askaniern unter Beibehaltung des älteren Rechts übernommen wurde. Die Siedlung auf dem Plateau hingegen ließe sich eher auf eine Neugründung durch den Magdeburger Bischof Wichmann zurückführen.


Uwe Müller, Eine Siedlung des frühen 12. Jahrhunderts im Fläming. Vom doppelten Ursprung der Stadt Görzke, Landkreis Potsdam - Mittelmark. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 1997, 1998, 98 - 101

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